Es ist geschafft. Dank fortgeschrittener Verheilung meiner Bruchstellen (der bei mir ins Schlüsselbein eingezogene Draht fängt allerdings an, lästig zu werden) und des zu warmen Novembers habe ich es dieses Wochenende gewagt und mein neues Gefährt mal zwischen die Beine genommen, um ihm mal meine nähere Umgebung zu zeigen. Gestern 90, heute 100 Kilometer. Muss schon sein. Ich weiß ja nicht, ob es mich eines Tages mal alleine nach Hause bringen muss ...
Den Versuch, die Korea-ST mit der Emmen-ST zu vergleichen, spare ich mir. Es liegen nun nicht gerade Welten zwischen ihnen, aber die jeweilige Philosophie der Fortbewegung kann unterschiedlicher nicht sein, sofern man mal das verbindende Element der tatsächlich feststellbaren Fortbewegung auf jeweils zwei Rädern außer acht lässt.
Ich gestehe, dass mir das Cruiserfahren sehr gefallen hat. Nachdem ich mich etwas daran gewöhnt hatte, dass die Beine jetzt nach vorn gehören
. Und dass das Kurvenfahren anders ist. Manches habe ich mich ohnehin nicht getraut, schon wegen der noch knapp einstelligen Temperaturen gestern und heute. Von meinem noch vorhandenen Handicap will ich garnicht reden. Also ging alles sehr kommod zu.
Trotz der nicht idealen Testbedingungen konnte ich das eine oder andere er-fahren. Die Korea-ST hat durchaus Punch, die auf Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen ausgelegte Übersetzung erlaubt, mit ca. 90 km/h im fünften Gang ohne Ruckeln bis zur Höchstgeschwindigkeit (die ich wegen der Schlottertemperaturen nicht annäherend erreicht habe) zu beschleunigen. Auch die unteren Gänge können sehr frühzeitig eingelegt werden. Selbst an leichten Steigungen zieht sie sauber an. Das Getriebe schaltet butterweich, die Gänge rasten exakt ein. Es gibt keine Unklarheiten, die Nullstellung zu finden. Das Einlegen des ersten Ganges hat kein beunruhigendes "Klatsch" im Getriebe zur Folge. Die Straßenlage ist gut, Fahrbahnunebenheiten werden ausreichend weggebügelt. Der zunächst argwöhnisch beobachtete Federungskomfort der hinteren Dämpfer ist erstaunlich gut. Bodenwellen dringen zwar spürbar, aber nicht unangenehm durch. Angst um meine Wirbelsäule brauchte ich mir nicht lange zu machen. Bis 120 km/h (ich weiß, das erzeugt bei manchem nur leichtes Gähnen, aber mehr konnte/wollte ich nicht) liegen Fahrer und Mühle ruhig im Wind. Das Sprintvermögen - auch aus dem Stand - empfinde ich als mehr als ausreichend. Es ist möglich, den allermeisten handelsüblichen Autos an der Ampel davonzufahren, ohne angestrengt zu wirken.
Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Die Lastwechselreaktionen des Riemenantriebs sind für mich ungewohnt und in ihrer Heftigkeit überraschend. Ich beginne zu ahnen, warum Cruiser soviel Hubraum wollen. Mit einer sehr feinfühligen Gashand, dem Griff zur Kupplung und der Wahl eines anderen Ganges lassen sie sich etwas kompensieren. Dennoch sind da und dort Bocksprünge unvermeidlich. Möglicherweise wäre mit anderen als den serienmäßig verbauten Standard-NGKs (denke über Brisk nach) eine gewisse Verbesserung erreichbar. Bei der MZ bewirkten sie jedenfalls Gutes.
Sehr ungewohnt ist die Geräuschkulisse. Was sich im Stand schon nur halbwegs brauchbar anhört, wird unterwegs beinahe peinlich. Kein dumpfes Bassgrollen, kein hämmerndes Stakkato. Was in meine Ohren dringt, erinnert an die Geräusche, die Fahrzeuge aus den dreißigern des letzten Jahrhunderts beim Beschleunigen erzeugten. Erst wenn der Hahn aufgezogen wird, kommt sowas wie Sound aus den beiden Töpfen. Da besteht aus meiner Sicht Handlungsbedarf.
Dass das Vorderrad beim Rausbeschleunigen aus Kurven gerne mal rutscht, schiebe ich auf die tiefen, gripfeindlichen Temperaturen und den unbekannten Korea-Pneu, den ich hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit noch nicht einschätzen kann. Neu ist er ja auch noch.
Die Bremsen sind ein Kapitel für sich. Klar, auch die sind neu und müssen sich erst einschleifen. Das wird schon besser. Dennoch vermisste ich die punktgenau dosierbaren MZ-Stopper, fühlte mich eher an das Bremsverhalten meiner Simson erinnert. Erfolgreiche Bremsmanöver sind mit ihr deutlich vor ihrer Erforderlichkeit einzuleiten. So lange man vorausschauend fährt, hat man bremsenmäßig nicht unbedingt Panik, jedoch Zweifel. Unter günstigeren Bedingungen werde ich unbedingt Bremstests absolvieren müssen.
Der Sattel ist auch so eine Sache. Sieht bequem aus, fühlt sich einige Kilometer auch so an. Subjektiv will man aber immer ein Stück nach vorne rutschen, weil man den Eindruck hat, dass man auf dem letzten Zentimeter sitzt. Werde mir das Teil also modifizieren lassen.
Unterm Strich muss ich allerdings sagen, dass die Korea-ST mir ermöglicht, was die MZ nicht schaffte: gelassenes Fahren. Sich treiben lassen können, sight-seeing zu machen, langsame(re) Zeitgenossen mühelos überholen, alles das kann die Mühle.
Ich glaube, wir werden gute Freunde